Die üblichen Verdächtigen – 8 häufige Fehler in der Datenanalyse

Das eine vorab: eine Liste der meist begangenen Fehler in der Datenanalyse wird in jedem Fall immer eine subjektive Einschätzung des gefragten Experten bleiben und unterscheidet sich je nach Branche, Analyse-Schwerpunkt und Berufserfahrung des Analysten. Trotzdem finden sich einige Missverständnisse über viele Anwendungsbereiche der Datenanalyse hinweg immer wieder. Die folgende Liste gibt einen Überblick über die acht am häufigsten begangenen Fehler in der angewandten Datenanalyse von denen ich behaupte, dass sie universell sind.

  1. Statistische Signifikanz versus Relevanz

Die Idee der statistischen Signifikanz wird oft missverstanden und deswegen fälschlicherweise mit statistisch belegter Relevanz gleichgesetzt. Beide messen jedoch sehr unterschiedliche Dinge. Statistische Signifikanz ist ein Maß der Gewissheit, welches die Zufälligkeit von Variation berücksichtigt. „Statistisch signifikant“ bedeutet also, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein bestimmtes Phänomen nur zufällig auftritt. „Statistisch nicht signifikant“ bedeutet, dass neben der zufälligen Variation keine systematische bewiesen werden konnte. Wichtig: dies bedeutet nicht, dass es keine Effekte gibt, sondern, dass diese nicht belegt werden konnten. Statistische Signifikanz lässt sich mit ausreichend vielen Beobachtungen allerdings auch für sehr kleine Unterschiede belegen. Generell gilt: je größer die Stichprobe, desto kleiner werden die Unterschiede, welche als statistisch signifikant getestet werden. Deswegen unterscheidet sich die statistische Relevanz von der statistischen Signifikanz.

Statistische Relevanz misst hingegen die Effektstärke eines Unterschiedes. Die Größe eines Unterschiedes wird dazu in Relation zur Streuung der Daten gesetzt und ist damit unabhängig von der Stichprobengröße. Je größer die Varianz der Zufallsvariablen, desto kleiner wird die Effektstärke.

  1. Korrelation versus Kausalität

Wird eine hohe Korrelation zwischen zwei Größen festgestellt, so wird oft geschlussfolgert, dass eine der beiden Größen die andere bestimmt. In Wahrheit können auch komplexe statistische und ökonometrische Modelle keine Kausalität beweisen. Dies gilt sogar, wenn die Modellierung einer theoretischen Grundlage folgt, denn auch die kann falsch sein. Regelmäßig lehnen sich Forscher und Analysten aus dem Fenster, indem sie Wirkungen behaupten, welche eine genaue Prüfung nicht aushalten. Standardfragen, die als Automatismus einer jeden Analyse folgen sollte, welche behauptet Effekte gefunden zu haben sind: Welche Rolle spielen unbeobachtete Heterogenitäten, umgekehrte Kausalität und Messfehler in den Variablen für das Schätzergebnis? Erst wenn diese drei Quellen von Endogenität kontrolliert werden und außerdem davon ausgegangen werden kann, dass die Stichprobe die Grundgesamtheit repräsentiert, kann ein kausaler Zusammenhang angenommen und quantifiziert werden.

  1. Unbeobachtete Einflussfaktoren

Nicht messbare und deswegen nicht erhobene Einflüsse verzerren die geschätzten Parameter der kontrollierbaren Faktoren, sofern letztere mit den unbeobachteten im Zusammenhang stehen. In anderen Worten: der geschätzte Effekt wird fälschlicherweise der beobachteten Größe zugeschrieben, wenn eigentlich eine dritte, nicht beobachtete Größe die Zielgröße bedingt und gleichzeitig mit der beobachteten Größe korreliert. Das Lehrbeispiel
für Verzerrungen durch unbeobachtete Größen ist die Lohngleichung – eine Gleichung die seit nunmehr 60 Jahren intensiv beforscht wird. Die Schwierigkeit bei der Quantifizierung des Effektes von Ausbildung liegt darin, dass die Entlohnung nicht nur über Alter, Berufserfahrung, Ausbildung und den anderen Kontrollvariablen variiert, sondern auch durch das unterschiedlich ausgeprägte Interesse an einem lukrativen Erwerb und die Fähigkeit des Einzelnen, diesen zu erlangen. Die Herausforderung: es gibt keinen statistischen Test, welche eine Fehlspezifikation durch unbeobachtete Größen angibt. Unabdingbar ist deswegen ein tiefgehendes Verständnis des Analyseproblems. Dieses befähigt den Analysten Hypothesen zu formulieren, welche unbeobachteten Größen über eine Korrelation mit dem getesteten Regressor im Fehlerterm ihr Unwesen treiben. Um Evidenz für die Hypothesen zu schaffen, müssen smarte Schätzdesigns oder ausreichend gute Instrumente identifiziert werden.statistische-verzerrung

  1. Selektionsverzerrung

Eine Selektionsverzerrung liegt vor, wenn Beobachtungen nicht für jedes Individuum vorliegen oder von der Analyse ausgeschlossen werden. Die Grundvoraussetzung für jeden statistischen Hypothesentest ist die Annahme einer Zufallsstichprobe, so dass die Zielpopulation repräsentativ abgebildet ist. In der Praxis ergeben sich allerdings oft Situationen, in denen bestimmte Merkmale nur für eine Gruppe, aber nicht für eine zweite beobachtet werden können. Beispielsweise kann der Effekt einer gesundheitsfördernden Maßnahme eines Großbetriebes für die gesamte Belegschaft nicht durch die freiwillige Teilnahme einiger Mitarbeiter gemessen werden. Es muss explizit dafür kontrolliert werden, welche Unterschiede zwischen Mitarbeitern bestehen, welche das Angebot freiwillig in Anspruch nehmen im Vergleich zu denen, die es nicht annehmen. Eine Gefahr der Über- oder Unterschätzung der Effekte besteht generell immer dann, wenn über die Beschaffenheit der Stichprobe im Vergleich zur Grundgesamtheit nicht nachgedacht wird. Auf Basis einer nicht repräsentativen Stichprobe werden dann fälschlicherweise Generalisierungen formuliert werden, welche zu falschen Handlungsempfehlungen führen können.

  1. Überanpassung und hohe Schätzervarianz

Überanpassung passiert, wenn der Analyst „zu viel“ von den Daten will. Wird das Model überstrapaziert, so erklären die Kontrollvariablen nicht nur die Zielgröße sondern auch das weiße Rauschen, also die Zufallsfehler. Die Anzahl der Regressoren im Verhältnis zur Anzahl der Beobachtungen ist in solch einer Spezifikation übertrieben. Das Problem: zu wenig Freiheitsgrade und das vermehrte Auftreten von Multikollinearität führen zu einer hohen Varianz in der Verteilung der Schätzer. Ein Schätzergebnis einer Spezifikation mit einer hohen Schätzervarianz kann also Schätzergebnisse produzieren, welche vom wahren Wert weiter entfernt sind als ein verzerrter Schätzer. Tatsächlich ist ein „falsches“ meistens ein Hinweis auf Multikollinearität.verlorene-effizienz-statistisches-modell

Oft macht es Sinn, die Spezifikation anzupassen, indem man die korrelierten Regressoren ins Verhältnis zueinander zu setzt. In der Praxis geht es immer darum, einen Kompromiss aus Verzerrung und Varianz zu finden. Das Kriterium hierfür ist die Minimierung des mittleren quadratischen Fehlers. Um zu überprüfen, ob der Analyst über das Ziel hinausgeschossen ist, gibt es zudem verschiedene Validierungsmethoden, welche je nach Methode einen bestimmten Anteil oder sogar keine Daten „verschwenden“, um das Modell zu überprüfen.kompromiss-quadratischer-fehler-statistisches-modell

  1. Fehlende Datenpunkte

Beobachtungen mit fehlenden Datenpunkten werden in der Praxis aus der Analyse in den meisten Fällen ausgeschlossen, einfach deswegen, weil das am schnellsten geht. Bevor das gemacht wird, sollte allerdings immer die Frage vorangestellt werden, wieso diese Datenpunkte fehlen. Fehlen sie zufällig, so führt der Ausschluss der Beobachtungen zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen. Fehlen sie allerdings systematisch, beispielsweise wenn Personen mit bestimmten Merkmalen spezifische Daten lieber zurückhalten, so ergeben sich daraus Herausforderungen. Es sollte dann darum gehen, diese gesamte Verteilung zu ermitteln. Ist unklar, ob die Daten zufällig oder systematisch fehlen, so sollte sich der Analyst im Zweifel dieser Frage annehmen. Es müssen dann Informationen identifiziert werden, welche helfen die fehlenden Daten zu imputieren.

  1. Ausreißer

Ausreißer werden in vielen Anwendungen mit standardisierten Verfahren identifiziert und aus dem Datensatz entfernt. Dabei lohnt es sich in vielen Fällen, die Daten ernst zu nehmen. Die Voraussetzung hierfür: die Datenpunkte müssen legitim sein. Problemlos ausschließen lassen sich Datenpunkte, welche durch Eingabefehler und bewusste Falschmeldung erzeugt wurden. Legitime Datenpunkte sind hingegen “echte” Werte. Die Einbeziehung von Ausreißern kann mitunter einen inhaltlichen Beitrag zur Analyse leisten, da auch sie einen Teil der Population im Ganzen sind. Problematisch wird die Beibehaltung von Ausreißern, wenn durch sie Zusammenhänge identifizierbar werden, die auf den Rest der Population nicht zutreffen. Mögliche Verfahren, welche Ausreißer mit dem Rest der Beobachtungen versöhnen, sind Transformationen der Daten oder die Anwendung robuster Schätzverfahren. Beide Ansätze spielen mit einer stärkeren Gewichtung der mittleren Verteilung. Außerdem kann beispielsweise in Regressionen überprüft werden, inwieweit etwa ein nicht-linearer Fit die Ausreißer besser in die Schätzung aufnimmt.

  1. Spezifizierung versus Modellierung

Allzu oft werden komplizierte statistische Modelle gebaut, bevor überprüft wurde, was ein einfaches Modell leisten kann. Bevor jedoch komplexe Modelle gestrickt werden, sollte zuerst an der Spezifikation des Modells gearbeitet werden. Kleine Anpassungen wie die Inklusion verbesserter Variablen, die Berücksichtigung von Interaktionen und nicht-linearen Effekten bringen uns in manchen Fällen der Wahrheit näher als ein aufwendiges Modell und sollten in jedem Fall ausgereizt werden, bevor ein aufwendigeres Modell gewählt wird. Je einfacher das Modell, desto einfacher ist es in der Regel auch die Kontrolle darüber zu behalten. In jedem Fall sollten die gewählten Spezifikationen immer durch Sensitivitätsanalysen unterstützt werden. Unterschiede in der Variablendefinition und der Selektion der Daten, sollten sowohl getestet als auch berichtet werden. Einen guten Grund, das Modell zu wechseln hat der Analyst dann, wenn daraus ersichtlich wird, dass Annahmen des einfachen Modells verletzt werden und dieses deswegen keine validen Ergebnisse produziert.

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1 reply
  1. Lucas Scheliga
    Lucas Scheliga says:

    Vielen Dank für diese sehr gute Zusammenfassung! Insbesondere Punkt 1 und 2 finde ich spannend.
    Zu 1: Das Konzept der Konfidenzintervalle kann und sollte verwendet werden, um die Effektgröße abzuschätzen. Es kommt m.E. nach in der Anwendung immer noch viel zu selten vor, stattdessen wird man p-Werten erschlagen, die für die Beurteilung der praktischen Relevanz allein nicht hinreichend sind.
    Zu 2: Der Klassiker, sollte man IMMER bedenken in all der Euphorie zu Big Data und super komplexen Modellen, die zwar gute Vorhersagen liefern können, aber nicht die Frage nach dem Warum beantworten….

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